Aufbau und Ausstattung des eisernen
Probewagen Der
vierachsige Triebwagen
mit der Fabrik-Nr. 11 8557, erbaut von der Waggonfabrik
"van der Zypen & Charlier G.m.b.H. in Köln-Deutz"
und im März 1916
ausgeliefert,
ging als sogenannter eiserner Probewagen Deutzer Bauart für die
A.E.G.-Schnellbahn A.G. Berlin in die Eisenbahnliteratur Geschichte ein.
Die Waggonbaufirma wollte mit der nur noch aus Eisen gefertigten Bauart auf neue
Techniken hinweisen, die zu diesem Zeitpunkt schon in Amerika angewandt
wurde.
Trotz
dieses Materials ist es gelungen, das Gewicht des gesamten Wagens 27 %
niedriger zu halten, als bei entsprechenden Wagen die bis dato aus Holz
gefertigt wurden. Außerdem bot das Material mehr Sicherheit, den die
Stabilität des Wagens wurde erhöht und die Brandgefahr weitgehend
reduziert.
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Probetriebwagen von 1916 für die A.E.G.-Schnellbahn A.G. Berlin von: van der Zypen & Charlier |
Für
den Wagenkasten sind Preßstrangprofilen verwendet worden,
welche die nötige Stabilität
gewährleisteten und zugleich an Gewicht sparten.
Nur die äußeren Längsträger
und die mittleren Längsstreben des Untergestells bestanden aus
Walzeisen. Kopfträger, Querträger sowie die Zugapparatträger waren aus
gepreßtem Blech gefertigt. Das Gerippe der Seitenwände, die als
Tragkonstruktion dienten, bestanden aus gepreßten Seitenwandsäulen. Das
Bekleidungsblech hatte an den Seitenwände eine Stärke von 2,5 mm, und an
den Stirnwänden von 2 mm. Die Wagenkastenlänge war
mit 13 545 mm sehr kurz und nur für die Berliner U- Bahn Tunnel
vorgesehen gewesen.
Mit dem Grundriss des Wagenkastens, der für einen großen
Stoß- bzw. Berufsverkehr geplant wurde, ging man vollkommen neue Wege,
indem man auf den üblichen Längsgang verzichtete. Die Quersitze mit je 3 Sitzplätzen wurden gestaffelt und
versetzt angeordnet, so dass sich an den Türen auch Platz für Stehplätze ergaben.
Beim Einstieg bot sich dem Fahrgast mit dieser Anordnung der Bänke
sofort die Auswahl zwischen zwei Abteilen. Die Sitzbank gleich hinter der
Führerraumwand hatte nur 2 Sitzplätze. Die sehr geformten
Doppelsitzbänke, unter der sich auch die Heizkörper befanden, waren mit dunkelbraun
lackierten und zur Feuersicherheit imprägnierten Holzlatten versehen.
Die Rückenlehnen sollten gleichzeitig den stehenden Fahrgästen als
Haltevorrichtung dienen, da man auf Schlaufen und Haltestangen
verzichtet hatte. Leider fand die
ungewöhnliche Anordnung der Sitzbänke
später nicht die Zustimmung der Fahrgäste. Jeder der
Triebwagen hatte nur einen Führerstand, jeweils in Fahrtrichtung
gesehen, auf der rechten Seite. Der Führerstand, von einer Blechwand zum
Fahrgastraum abgetrennt, war mittig geteilt, so dass auf der linken
Seite weitere Stehplätze zur Verfügung standen, bzw. der damals noch
mitfahrende übliche Zugbegleiter bei der U-Bahn seinen Platz gehabt
hätte.
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Seiten- und Stirnansicht, sowie Grundriss des Wagen von "van der Zypen & Charlier" |
Das Innere des
Schnellbahn-Triebwagen war einfach, aber kunstvoll gestaltet. Die Wände,
mit Paneele aus Steinpappe verkleidet, waren mit einer Art
Leinenbezug belegt. Die Decke mit weißer, hellgemusterter Paneele
ebenfalls aus Steinpappe, war mit Mahagonileisten
eingefasst, und wurde durch zwei verschiedenen Typen von Lampenkörper mit außen herabhängenden, eingeschraubten Glühwendelbirnen
verziert. Beiderseits
der Deckenwölbung waren Lüftungsgitter für die Druckbelüftung vorhanden,
an der Innenseite mit gelochten Zierblechen abgedeckt, und ebenfalls
mit Mahagonileisten eingefasst. Nur die Lüftungsgitter über den vorderen
und hinteren Stirnfenstern konnten durch Klappen von innen geschlossen
werden. Alle Fenster waren fest verschlossen und konnten nicht geöffnet
werden. An den sehr großen Fenstern konnte eine Sonnenjalousie herab
gezogen werden. Der Fußboden aus
gepressten Eisenblechen wurde zur Isolierung mit einer
Korkzementmasse ausgefüllt und mit braunem Linoleum ausgelegt.
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Das Innere des Probewagens vor Umbau |
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Der Wagen besaß auf jeder Seite vier
diagonal versetzte einteiligen Schiebetüren aus Preßblechen.
Diese auf Rollen mit Kugellager laufenden, und dadurch leicht zu
bedienenden Türen gehörten zu den außergewöhnlichsten Konstruktionen
des Triebwagens. Zum einen maßen sie in der Breite stolze
900 mm und gestatteten damit einen zügigen Fahrgastwechsel. Zum anderen
schlossen sie - erstmals in Berlin - selbsttätig. Über jeder Tür befand
sich ein Schließzylinder. Der Türschluss erfolgte mit Luftdruck, nachdem
der Zugführer einen außerhalb des Wagens befindlichen Knopf unterhalb des ersten, linken Seitenfensters
betätigt hatte. Diese Konstruktion wurde von der Firma
Knorr-Bremse A.-G. Berlin entworfen. Der Triebwagen besaß eine eigenständige
Druckluftversorgung mit Kompressor und Luftbehälter unter dem Wagenboden.
Der einst für einen U-Bahn Betrieb vorgesehenen Triebwagen war grau lackiert, und
in den Feldern unter den Fenstern mit dünnen roten Zierlinien versehen. Fensterrahmen und das umlaufende
Band, sowie der Rahmen und die Drehgestelle waren schwarz lackiert.
Das etwas über den Wagenkasten herausragende, grau lackierte Dach war
mit Tropfblechen versehen.
Der
Wagenkasten mit einem Drehzapfenabstand von 8 800 mm ruhte auf zwei Drehgestelle
aus Preßträgern, einem Antriebs- und einem
Laufdrehgestell, die ein Radstand von 2 460 mm. aufwiesen. Jedes
Drehgestell war mit einer 8 klötzigen Ausgleichsbremse versehen. Der
Laufkreisdurchmesser der Räder betrug 900 mm. Die Achsfolge war Bo´
2´. Diese wurden von zwei Gleichstrommotore in Tatzlager-Bauart
vom Typ UV 270 mit je 121 kW angetrieben. Die elektrische
Steuerung der beiden Motoren, mit erstmalig angewandter
halbselbstständiger elektromagnetischer Schützensteuerung, erfolgte
über ein Fortschaltrelais. Die Stromabnahme wurde durch Gleitschuhe,
die an der unteren Seite der Stromschiene entlang glitten,
vorgenommen. Die gesamte elektrische Ausrüstung wurde durch die Firma
A.E.G. vorgenommen.
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Drehgestell für den A.E.G. Schnellbahntriebwagen |
Umbau der beiden Triebwagen für den Betrieb auf der Vorortbahn Nachdem der eigentlich für die U-Bahn
vorgesehenen Triebwagen zusammen mit seinem Pendant, dem Triebwagen
E.T.532 mit dem Umweg über Hamburg wieder in Berlin in
der EAW Berlin-Tempelhof ankam, mussten nun sämtliche Anpassungs- und
Umbauarbeiten für den Eisenbahnbetrieb vollzogen werden.
Die bisher vorhandenen
kleinen mechanischen Scharfenbergkupplungen wurden entfernt und
stattdessen die
normalen eisenbahnmäßigen nötigen Zug- und Stoßvorrichtungen mit der
üblichen Schraubenkupplung und Zughaken montiert. Eine Verstärkung
des Rahmens erfolgte im Bereich der neuen Pufferbohlen. Der Wagenkasten
wurde für die höheren Bahnsteige bei der Eisenbahn durch je eine Stahlquertraverse zwischen dem Drehgestell und Wagenkasten höher gesetzt.
Zwei zusätzliche lange Trittbretter je Wagenseite glichen die Höhen- und
Breitendifferenz zwischen Triebwagen und Bahnsteigen aus. Der Wagen
verlor den grauen A.E.G.-Schnellbahnanstrich mit den roten Zierstreifen und
erhielt das typische Grün für Personenzüge der
damaligen Zeit. Das umlaufende Band und alle Griffstangen wurden schwarz
lackiert. Auf der Führerstandsseite fanden oben am Dach zwei elektrische
Oberwagenlaternen für das Schlusssignal Platz. Unterhalb der beiden
Führerstandsfenster wurde ein übliches Laufbrett eingesetzt, das man über
zwei schräge Tritte auf beiden Seiten erreichte. Entsprechend angeordnete
Griffstangen vervollständigten das Äußere. Auch die beiden nach oben
geschwungenen Luftrohre mit den beiden Hähnen und Schläuchen wichen den
nun unten am Rahmen angebrachten.
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Seitenansicht vor und nach dem Umbau für den Betrieb auf der Vorortstrecke |
Der Triebwagen erhielt zusätzlich zwei neunpolige Steuerkupplungsdosen. Für die Stromabnahme war ein Stromabnehmertausch nötig. Die Großprofil-U-Bahn bestreicht mit ihren Stromabnehmern die Stromschiene heute von unten, wie bei der S-Bahn, während auf der Anhalter Bahn in der Anfangszeit die Stromentnahme bei dem 550-Volt-Betrieb von oben vollzogen wurde. Erst ab 1925 wurden alle Stromabnehmer dem neuen System angepasst. Die Drehgestelle erhielten Achsen und Räder mit Radreifenprofilen nach Eisenbahnnorm von der Waggon- und Maschinenbau AG Görlitz. Mit den zwei Tatzlager-Gleichstrommotoren, die jeweils 121 kW leisteten, überbot der Triebwagen die Leistungen der übrigen Abteiltriebwagen um gut 65%. Allerdings musste die Höchstgeschwindigkeit durch Änderung des Übersetzungsverhältnisses beim Getriebe von 60 km/h auf die der Abteiltriebwagenzüge von 50 km/h reduziert werden. |
Frontansicht vor und nach dem Umbau für den Vorortverkehr |
Erneuter Umbau nach vermehrter Kritik In der ersten Einsatzzeit
kritisierten die Reisenden die Ausstattung des Triebwagen aufgrund der
ungewöhnlichen Sitzaufteilung sowie der Belüftung des Fahrgastraumes, da
bekanntlich alle Fenster für den U-Bahn Betrieb stets verschlossen
waren. Auch wurden fehlende Haltestangen bemängelt. Leider fand das kunstvolle
Ambiente mit verzierten Lampenkörpern, mit Mahagonileisten eingefassten
weißen Deckenpaneelen und mit Leinen bezogenen Wänden auch keine dokumentierte
Bewunderung bei der am 13. Mai 1921 eingeladenen Presse zu einer
ersten Probefahrt.
Die Deutsche Reichsbahn reagierte sofort
auf die Beschwerden und ließ den Wagen, wie auch den E.T. 532 nochmals in der EAW
Berlin-Tempelhof umbauen. Die großen Scheiben baute man aus, und in den Fensterrahmen wurden insgesamt 12 Stck neue feste
Fensterstreben mittig eingesetzt. In allen neuen Fenstern wurde die bisherige
Technik, wie bei den Abteilwagen verwendet, eingesetzt. Was vorher
eine große Scheibe war wurde nun in zwei schmale Rahmen mit Glas umgebaut.
Jedes zweite Fensterpaar konnte, wie bisher üblich, mit einem Lederriemen
geöffnet werden. Trotzdem wurde der Anfangs als 2. Klasse
deklarierte Triebwagen in die 3. Klasse umgezeichnet. Die
Gattung lautete nun: C4esT. So präsentierte sich der Wagen nun mit herablaßbaren
Fenstern im Juni 1921 endlich dem Betriebsdienst. Der Umbau der Fenster
sowie der Zugsteuerung kostete für beide Triebwagen nochmals 120.000
Mark.
Die Fa. A.E.G. in Berlin,
Bahnabteilung, nutzte den Probewagen auch weiterhin und
veränderte in zwei großen Etappen 1920 und 1922 die
gesamte elektrische Steuerung vom Fahrschalter über das Schaltwerk,
den Widerständen bis hin zu den E-Motoren, um ein sicheres konstantes
Anfahrverhalten zu erzielen. (Diese gesamte neue Steuerung wurde dann
ab
1924 in den neu entwickelten Triebwagenzügen der Bauarten Bernau usw. eingesetzt.) |
Die Hauptangaben des Triebwagen E.T.531 |
Nach der Stilllegung am 1.
Juli 1929 fand sich trotz des guten Zustandes des Triebwagen,
anfangs kein Interessent. Aber nach dem Ausbau aller elektrischen
Komponenten durch das EAW Berlin-Tempelhof wurde er noch bis Mitte der dreißiger Jahre als Gerätewagen für Hilfszüge im Bw-Wustermark verwendet, ehe
er endgültig ausgemustert wurde.
Der Eisenbahnersportverein in Elstal (westlich von Berlin)
erwarb den Wagenkasten um ihn als Aufenthalts- und Geräteraum zu nutzen.
Nachdem der Wagenkasten des ehemaligen E.T. 531 nach 1945 noch einer Flüchtlingsfamilie bis 1975 als Unterkunft diente, stand der Wagenkasten des ehemaligen eisernen Probewagen Deutzer Bauart unbeachtet von den Eisenbahninteressierten, und sich selbst überlassen in Elstal, bis er 1999 wiederentdeckt wurde. |
Historische Quellen zur Geschichte des
eisernen Probewagen und dem Versuchsbetrieb: |
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E.T. 531und E.T. 532 - Von der Entwicklung bis zur Ausmusterung |
Rekonstruktion des Vorortbahn-Triebwagen E.T. 531 |
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