Rekonstruktion des Vorortbahn-Triebwagen E.T. 531
 
Wagenkasten Innenbereich
 
Wagenkasten, Fenster und Türen
 
Geschichtliches:
Der im Jahr 1916 eigentlich für die U-Bahn gebaute Wagenkasten des späteren E.T.531 hat ein Innenmaß von ca. 13 300 mm Länge und 2 300 mm Breite. Das Innere des Schnellbahn-Triebwagens war schön, aber trotzdem einfach gestaltet. Die Decke war mit hellgemusterter (fast weißer) Paneele aus Steinpappe verkleidet und an den Trennstellen der einzelnen Platten mit Mahagonileisten eingefasst. Außerdem waren auf beiden Seiten der Deckenwölbung Lüftungsgitter für die Druckbelüftung vorhanden. Die Wände, ebenfalls aus Steinpappe, waren mit einer Art hartem gemusterten Leinenbezug belegt. Der Boden des Wagenkastens, aus gepressten Eisenblechen und mit einer Isolierung aus Korkzementmasse bedeckt, war mit braunem Linoleum ausgelegt. Alle Fenster waren fest eingebaut und konnten nicht geöffnet werden. An den großen Fenstern konnte eine Sonnenjalousie herab gezogen werden. Auf jeder Seite des Wagenkastens waren vier 900 mm breite Schiebetüren vorhanden. Die für die damalige Zeit außerordentlich breiten Türen bestanden aus gepressten Blechen und hingen außen vor der Wagenkastenwand an Rollen, die wiederum in Kugellagern liefen. Das besondere war die neuartige selbsttätigen Türschließeinrichtung. Über einen äußeren Druckknopf, unterhalb des ersten, linken Seitenfensters konnten alle Türen vom Zugbegleiter mit Hilfe eines Luftzylinders über jeder Tür, zentral mit einem Betriebsdruck von 6 atü pneumatisch geschlossen werden. Dazu besaß der Triebwagen eine eigenständige Druckluftversorgung mit Kompressor und Luftflasche, die unter dem Wagenboden angebracht waren. Bis auf der in Fahrtrichtung rechts liegenden kleinen, die Frontseite zur Hälfte belegenden Führerstandskabine, stand der ganze Innenraum mit entsprechender Ausstattung den Fahrgästen zur Verfügung.


Als der nie im Fahrgastbetrieb eingesetzte U-Bahntriebwagen  im Jahr 1921 zum Eisenbahntriebwagen umgebaut wurde, hat man im Innenraum Anfangs nur die bisherige kleine Führerstandskabine vergrößert, um so ein Dienstabteil zu schaffen. Nach den ersten Fahrten mit Fahrgästen wurde neben der Kritik an der Sitzanordnung Klagen zur schlechten Belüftung laut, die bisher nur über Lüftungsgitter an der Decke erfolgte, so das der Triebwagen erneut umgebaut werden musste. Die sechs großen Scheiben auf beiden Seiten des Triebwagens wurden herausgenommen und durch jeweils zwei schmale Fenster und Zwischenstegen ersetzt, wobei jede zweite Gruppe der neuen Fenster mit einem Zugriemen zum herablassen versehen wurden. Damit konnten ab Juni 1921 die Fahrgäste das Klima im Wageninneren während ihrer kurzen Reise selbst durch Öffnen der neuen Fenster gestalten.

Nach der Ausmusterung des Triebwagens wurde der Innenraum des Wagenkastens ab 1929 auf einem Sportplatz  in Elstal bei Wustermark als Umkleidekabine, und ab 1945 als  Behelfswohnung für Flüchtlinge aus dem Osten genutzt. Somit entstand im Wagenkasten ein Schlaf- sowie ein Wohnzimmer und eine Küche die bis 1975 bewohnt wurden. Die originale Inneneinrichtung hatte man in den kalten Wintermonaten nach Kriegsende verheizt.
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Rekonstruktion:
Als der Wagenkasten im Jahr 1999 wieder entdeckt wurde, befand er sich in folgendem Zustand: Die Innenwände und die Decke waren von den Bewohner mit weißer Ölfarbe, im Küchenbereich mit grüner Farbe, und alle noch vorhandenen Fensterrahmen mit einer dicken braunen Farbe bestrichen. Vorhanden waren noch die nachträglich zum Wohnen eingesetzten Zwischenwände mit Türen. Nachdem der Wagenkasten noch 2000 nach Teltow gebracht war, begannen dann im Oktober 2002 endlich die Rekonstruktionsarbeiten im Innenraum. Nachdem alles nicht zum Originalwagen gehörende entfernt wurde, konnte man folgende Bestandsaufnahme machen: Der Innenraum macht nach so langer Zeit doch noch einen verhältnismäßig guten Eindruck und kann hoffentlich wieder in die Originalität zurück versetzt werden. Schade nur, dass die Wand- und Deckenpaneelen mit vielen Farbschichten verunziert wurden. Die waagerechten Deckenpaneelen und die unterhalb der Fenster angebrachten Seitenwandpaneelen sind tlw. verrottet bzw. zu sehr Farbe verkleckst worden. Nur alle gebogenen sowie anschließenden senkrechten Paneelen zwischen den Fenstern bleiben erhalten, falls diese intensiven Farbschichten der Jahrzehnte noch zu entfernen sind. Leider fehlen diverse Fenstergriffe, insgesamt elf hölzerne Fensterrahmen, ein breiter und vier feste schmale Rahmen sowie sechs herablassbare Rahmen mit den dazugehörigen Innenrahmen. Die wahrscheinlichen Originalscheiben an der Frontseite sind noch vorhanden. Einer der Fensterteiler die 1921 nachträglich eingesetzt wurde, fehlte ebenfalls. Die hintere rechte Tür fehlt leider und muss neu angefertigt werden. Die Luftleitungen und die Druckluftzylinder zum Schließen der Türen sind auch heute noch vorhanden. Ein kompletter Satz ehemaligen Türgriffe konnte sicher gestellt werden. Die anderen fehlen leider, wie auch zwei der acht Türschlösser. Der originale Fußboden mit dem braunen Linoleum ist wieder zum Vorschein gekommen. Die Dämmschicht aus Korkzementmasse ist allerdings  schon sehr bröselig und hat keinen Halt mehr auf den Blechen.

Inzwischen ist die Rekonstruierung im Gange. Mit der Entfernung alter Verkleidungen vor den Fenstern und dem Beginn der Entfernung alter Deckenfarben wurde begonnen. Diese Arbeiten werden laufend durchgeführt. Die elf fehlenden Fensterrahmen sind nach den vorhandenen Muster als Altfenster neu konstruiert und auf einer CNC-Maschine ausgefräst worden. Alle wurden inzwischen eingepasst, grundiert und erst einmal mahagonifarben vorgestrichen. Die ersten, später nicht zu öffnenden Fenster wurden vom Glaser abgeholt, um mit einer 5 mm Verbundglasscheibe versehen zu werden. Die Schiebefenster zum Luft holen können nur sehr langsam und extrem zeitaufwendig wieder in Funktion gesetzt werden. Sehr viele Einzelteile, die man von außen gar nicht sieht, wurden konstruktiv erfasst und werden momentan angefertigt. Die 12 Stück Lederriemen sind bereits gefertigt. Zwölf fehlende Fenstergriffe wurden auch schon nachgegossen. Probleme gibt es aber noch mit der alten seitlichen Dichtung die es heute in dieser Art nicht mehr gibt. Auch der fehlende Fensterteiler ist inzwischen neu angefertigt worden, und wartet auf seinen Einbau. Dank des noch vorhandenen Satzes Türgriffes konnten inzwischen die fehlenden in Bronze nachgegossen werden. Die verschlossenen Türen wurden bereits wieder gangbar gemacht. Es wird angestrebt auch die automatische  Türschließeinrichtung eines Tages wieder funktionsfähig herzurichten, was leider keine leichte Aufgabe darstellt. Um die fehlende Tür durch einen Nachbau zu ersetzen, musste nach einer verzweifelten Suche einer geeigneten Werkstatt eine komplette Tür von einer Spedition nach München gebracht werden. Dort soll von der Mustertür ein Duplikat erzeugt werden, die im Jahr 2008 fertig sein soll. Der veranschlagte Preis ist sehr hoch. . .

   
  Foto und Copyright: W. Kämmerer Foto und Copyright: W. Kämmerer
         
 
So sah das Innere des E.T.531 vor dem Beginn der Rekonstruktion im Jahre 2002 aus. Deutlich erkennt man noch die Zwischenwände, wo einst Türen eingebaut waren als der Wagen als Behausung diente. Vorn war der Küchenbereich, danach folgte das Wohnzimmer und ganz hinten befand sich das Schlafzimmer. Hier war einst auch der Führerstand eingerichtet gewesen.
   
Alle Zusatzbauten wurden zwischenzeitlich wieder entfernt, damit die Originalität von 1920 gewährleistet werden kann. Hier erkennt man den freigelegten Bereich des Führerstandes. Noch haben die Fenster ihre Verkleidung nicht verloren. Diese wurde erst nach und nach, bei der  Analyse der Fensterrahmen entfernt.
   
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Die beiden auch heute noch verrammelten Rückfenster.
   
An der Vorderfront wurden neben den nachträglichen Anbauten auch die Originalwandverkleidung entfernt.
   
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Das waren die einzigen beiden zu öffnenden Fenster, die noch einigermaßen komplett waren, die weiteren fehlten
   
Noch deutlich erkennbar, die nachträglich eingesetzten Fensterteiler in den einst großen Seitenfenstern.
   
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Eines der noch gangbaren Schiebefenster. Das linke wurde schon zur Ausbesserung entfernt, und die Öffnung provisorisch verschlossen.
   
So waren fast alle Fenster verschlossen, innen mit Sperrholz und außen mit Blechplatten. Auch gut erkennbar, der inzwischen schon überall entfernte nachträgliche Farbanstrich der Fensterrahmen.
   
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Hurra, es ist kaum vorstellbar, aber das hier ist das erste neugebaute Fenster aus wasserverleimten Sperrholz! Es ist das einzige breite Fenster vorn auf der linken Seite gleich nach der ersten Schiebetür.
   
Die restlichen fehlenden Fensterrahmen sind inzwischen auch fertig. Es wird nämlich ganz dringend erforderlich, dass der Wagenkasten vor der äußeren Feuchtigkeit geschützt, und somit auch wieder ganz verschlossen wird.
   
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Die zwölf nachgegossenen Fenstergriffe von denen noch elf Griffe ihre Bohrung für die Befestigung an den Fensterrahmen erhalten müssen.
   
Auch schon fertig, einer der aus Bronze nachgegossener Satz Türgriffe
   
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Schon wieder gangbar, eine der acht Schiebetüren von der leider ein Exemplar fehlt.
   
Von den Türschlössern sind bis auf zwei fehlende alle vorhanden. Erst nach dem Lackieren werden sie mit den Türgriffen versehen werden.
   
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Blick in die rechte Ecke des Führerstandes, an der sich eine leider leer vorgefundenen Instrumententafel befand.
   
Hier wird die ab 1922 etwa in dieser Zusammenstellung neu bestückte Instrumententafel zur Anzeige der wichtigsten Betriebswerte installiert werden.
 
Sitzbänke, Zierleisten Belüftung und Heizung
 
Geschichtliches:
Mit dem Grundriss des späteren E.T.531 ging die Waggonfabrik "van der Zypen & Charlier" vollkommen neue Wege. Sie ordnete die Quersitze gestaffelt an, mit je 3 Sitzplätzen pro Sitzbank. Außerdem wurden die Bänke versetzt angeordnet, so daß es bei den Türen viel Platz für Stehplätze gab. Die Sitzbank gleich hinter der Führerraumwand hatte nur 2 Sitzplätze, somit waren im Triebwagen 41 Sitzplätze und 104 Stehplätze vorhanden, für insgesamt 145 Plätze. Die optisch schön geformten Sitzbänke unter denen allerdings nur bei jeder zweiten Bank nach dem Umbau im Jahr 1921 ein elektrischer Heizkörper gesetzt wurde, waren mit dunkelbraun lackierten Holzlatten versehen und einer oberen Abschlussleiste in mahagonibraun, die ovale Öffnungen hatte. Ebenfalls Mahagonifarben waren die Zierleisten im Deckenbereich, die die Nahtstellen der an den Seitenwänden auch gewölbten Deckenplatten verdeckten. Die Mahagonileisten gaben einen guten Kontrast zu der hellen Deckenfläche. Auch die Anfangs zur alleinigen Druckbelüftung dienenden Lüftungsgitter aus gelochten Zierblechen an den Seiten der Deckenwölbung waren mit Mahagonileisten eingefasst. Durch diese für die damaligen Zeit modern und fast exklusiv wirkenden  Inneneinrichtung ließ die DR den Triebwagen zum Einsatz auf der Lichterfelder Vorortbahn als 2. Klasse bezeichnen.


Die Anordnung der Sitzbänke, die für einen großen Stoß- bzw. Berufsverkehr gestaltet war, fand leider nicht die Zustimmung der verwöhnten Berliner Fahrgäste, die auch die fehlenden Haltestangen und Gepäcknetze kritisierten. Leider fand auch das kunstvolle Ambiente mit verzierten Lampenkörpern, mit Mahagonileisten eingefassten weißen Deckenpaneelen und mit Leinen bezogenen Wänden keine dokumentierte Bewunderung bei den Reisenden. Aufgrund von diesen Protesten der Fahrgäste, die dafür kein Verständnis hatten, wurde der Triebwagen in die 3. Klasse (C 4esT) zurückgestuft. Das Thema Stehplätze war damals (sowie heute auch wieder) immer noch ein wunder Punkt im Berliner S-Bahn Verkehr, denn jeder Fahrgast war noch der Auffassung, mit der Fahrkarte hat er sich nicht nur die Beförderung erkauft, sondern auch ein Anrecht auf einen Sitzplatz gehabt. Mit dem stets steigenden Verkehr änderte sich aber doch diese Einstellung, denn zeitweise war man froh überhaupt noch mitgenommen zu werden. und drei Abteil-Beiwagen, der 2. Klasse, waren nun zwischen beiden Triebwagen beigefügt worden.
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Rekonstruktion:
Leider ist von den Sitzbänken heute kein Exemplar mehr übrig. Vermutlich hatte man sie in den kalten Wintermonaten nach 1945, zur Zeit als der Wagenkasten als Notlager für Flüchtlinge diente, verheizt. Nun müssen anhand von alten Fotos alle Bänke, von denen wenigstens noch die Abdrücke auf dem alten Linoleum erkennbar ist, neu nachrekonstruiert werden. Dieses Kapitel wird eines der teuersten Rekonstruktionen des E.T:531 werden. Besser sieht es mit den mahagonifarbenen Zierleisten aus. Bis auf einige wenige Stellen sind noch alle Originalleisten von 1916 vorhanden. Leider sind sie aber, wie Decke, Wände und Fensterrahmen mehrmals überstrichen worden. Bei regnerischem Wetter werden die vielen Deckenleisten nach und nach abmontiert und von den 5 bis 7 Farbschichten befreit, eine sehr langwierige und mühsame Arbeit. Die ersten 2 Dutzend Leisten kehrten bereits wieder an ihren Stammplatz zurück. Einige wenige gebrochene und fehlenden Stellen werden später ersetzt werden. Auch die Mahagoni-Rahmen für die seitlich in der Deckenwölbung angebrachten Innenbelüftung, die für das Wohnen einst verschlossen wurden, sind noch vorhanden. Die Rahmen sind alle nach dem Abwaschen der fünf Deckschichten von weißer Farbe wieder in den Originalzustand zurück gebracht worden. Die Holzplatten, die die 14 Lüftungsschlitze verschlossen, sind wieder entfernt worden, und durch fehlende, neu nachgefertigte Lochbleche ersetzt. Neben der Belüftung in der warmen Jahreszeit, ist das Heizen in der kalten Jahreszeit das Wichtigste. Auch hier hat sich schon etwas getan. Die ersten Heizkörper stehen zur Verfügung.
         
  Foto und Copyright: W. Kämmerer Foto und Copyright: W. Kämmerer
         
 
Erstes Modell einer zeitgemäßen Holzsitzbank. Hier das Modell für drei Fahrgäste ;-)
   
Original S-Bahnheizkörper, die auf ihren Einsatz unter den Sitzen warten
         
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Einer der 14 Belüftungsschlitze, hier mit abgenommenen Zierrahmen. Darunter ist eine der hier noch mit Farbe versehenden. mahagonihölzernen Zierleisten der Deckenverkleidung.
   
So werden die Belüftungsschlitze einmal aussehen. Darunter eine schon vor der Farbe befreiten Zierleiste. Der Mahagonifarbton lässt sich schon erkennen. Mit einer Lackierung wird sie so glänzen wie der Rahmen des schon wieder fertiggestellten Lüftungsgitters.

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